In Shape —
Von der Kunst, eine Form zu finden
In Shape – ein Sprint durch die Suchmaschinen des Internets unter diesem Schlagwort lässt Kunst- und Kulturaffine schnell verzweifeln. Denn vergeblich hält man auf den annähernd vorderen Plätzen der 3.720.000.000 Ergebnisse, die allein Google in 0,52 Sekunden auswirft, auch nur nach einem Eintrag Ausschau, der sich der Form als eines der basalsten Mittel der Kunst widmet. Stattdessen trifft man auf Fitnessstudios, Nahrungsergänzungsmittel und schlechte Scherze: I´m in shape – round is a shape. Doch hinter jedem Witz verbirgt sich ein Funken Ernsthaftigkeit. Hier wird die Logik vorhandener Körperideale mithilfe eines ebenso logischen Formenvokabulars untergraben. In Zeiten von Diversität und Ablehnung jeglichen Body-Shamings sind Sprüche, die auf Körperformen abzielen, zwar nicht verschwunden, jedoch überholt. Und so gilt es bei der Floskel auf etwas anderes hinzuweisen, was vielmehr aus der Logik der Kunst resultiert: Das Kreieren jeglicher Form, sei es einer runden oder einer anders gearteten, kommt nicht aus dem Nichts heraus, sondern basiert auf einer gewissen Anstrengung.
Dave Großmann weiß davon zu berichten. Das Projekt In Shape bezeichnet er selbst als seinen persönlichen Ausdauerlauf. 1.000 Zeichnungen zu kreieren, die zwar alle auf demselben Regelsystem bauen, sich jedoch dabei nie gleichen, ist eine Kraftanstrengung. Sie verlangt Beharrlichkeit, Konzentration, Selbstüberprüfung wie Geschick und das über Jahre hinweg. Diesen Prozess, der mit einer Reise durch Mittelamerika begonnen hatte, in die Nähe des Sports zu bringen, der Körper wie Geist anstrengt, ist mehr als nur ein naheliegender Vergleich. Denn genauso wie im Spitzensport großes Talent neben Disziplin und intensivem Training stehen, gelang auch dieses Langzeitprojekt, welches sich über drei Jahre erstreckt hat, nur unter den gleichen Voraussetzungen.
Spricht man von der Form in der Kunst, dann beginnt man meist – und gerade auf dem Gebiet der konstruktivistischen oder konkreten – bei den Grundformen: Dreieck, Kreis, Quadrat. Längst sind diese weit mehr als nur geometrische Gebilde. Eingefärbt in den Grundfarben wurden sie zu logoähnlichen Gebilden, die immer dann zum Einsatz kommen, wenn man vom Bauhaus oder ähnlichen Bewegungen spricht, die man hier zugeordnet sehen möchte. Diese Übersetzung geschieht häufig nicht nur recht plump, sie unterschlägt zudem, dass sich etwa mithilfe von Symmetrien und Parallelverschiebungen eine Vielzahl von Polygone entwickeln lassen, die für das Auge zum Teil spannender sind als die Grundformen. Denn einige von ihnen sind nicht immer auf den ersten Blick zu verstehen oder zu entschlüsseln. Nicht nur das Inbetrachtnehmen, ebenso die Konstruktion dieser brauchen Zeit. Dave Großmann hat mithilfe eines einfachen Koordinatensystems viele Vielecke entwickelt: 1.000 Figuren, entstanden ohne jegliches digitale Hilfsmittel, 1.000 Figuren, die eine komplexe Außen- wie verschiedene Innenformen aufweisen. Das strenge Einhalten sich selbst gesetzter Regeln war ihm dabei genauso wichtig wie die Unterscheidbarkeit jeder einzelnen Form. Keine gleicht der anderen.
Von Regeltreue und Möglichkeitsräumen
In Shape – Wer in Form bleiben will, der muss dranbleiben. Im Gespräch mit Sportbegeisterten erkennt man bald, dass meist ein Plan hinter allem steckt, dass es Regeln gibt, die sich die- oder derjenige selbst auferlegt hat, um zum Ziel zu kommen. Ein solches Vorgehen ist der Kunst, speziell der Konkreten, nichts Unbekanntes – und somit auch nicht bei Dave Großmann. Die Regeltreue vereint ihn mit so manchem Pionier der Konkrete Kunst. Hier stellt Großmann sich in eine Reihe von großen Männern, die ihm vorausgegangen sind; etwa Camille Graeser (1892–1980), dessen Werke auf analytischen Regeln und rationalen Ordnungsprinzipien basierten und dessen Arbeiten, ähnlich wie die von Dave Großmann heute, zwischen bildender und angewandter Kunst changierten. Doch besonders in den aktuellen Strömungen dieser Kunstrichtung geht es nicht darum, Regeln um der Regeln willen zu befolgen, sondern sie zu be- und hinterfragen, eine Varianz und Vielschichtigkeit aufzuzeigen, die sich hinter ihnen verbergen können, ohne dass sich dies immer auf den ersten Blick vermuten ließe. Die Regel verlässt damit die dienende Funktion eines reinen Hilfsmittels zu etwas anderem. Die Regel selbst ist das, was untersucht, ja ausgereizt wird und zu einer eigenen Formensprache führt.
Jede einzelne der Regeln, die Dave Großmann „Huckepack“ nahm, als er mit leichtem Gepäck durch Mittelamerika reiste – künstlerisch nur beladen mit Stift, Skizzenblock, Lineal und der sich selbst gestellten Aufgabe, 1.000 Formen zu finden –, war ein Stück weit Ballast. Denn sie führten dazu, die Freiheit der künstlerischen Möglichkeiten zu limitieren. Aber so widersprüchlich es klingen mag: Gerade die Eingrenzung eröffneten ihm ungeahnte Möglichkeitsräume.
Jede einzelne Regel, die Dave Großmann zu Beginn seiner Reise sich selbst und nun am Anfang dieses Buches stellte, würde sicherlich ihre eigene Aufmerksamkeit verdienen. An dieser Stelle ist es die Regel 4, die in den Fokus dieses Texts rücken soll:
Die Vierte wichtige Regel beschreibt, dass klar voneinander trennbare, schwarze, weiße und graue Flächen entstehen müssen. Das Ziel ist es, somit mindestens eine Überlappung zu zeigen. Diese Vorgabe prägt den visuellen Charakter der Formen am meisten und beschreibt eine Art der Faltung und scheinbarer Räumlichkeit mit Flächen, die sich in Vorder- und Hintergrund aufteilen.
Mit dieser Regel trennt sich Dave Großmann vom Skizzenblock, mit dem alles angefangen hat. Die Malereien, die nun aus ausgewählten Zeichnungen entstehen sollen, erhalten Farbe. Dabei wird das Gezeichnete und damit das, was womöglich die Hand des Künstlers noch verraten ließe, fallen gelassen. Die ausgewählten Formen sollen aus Holz ausgefräst und lackiert sein. Damit tritt Dave Großmann der Riege solcher Konkreter Künstler bei, denen es wichtig ist, mathematisch völlig exakt zu arbeiten, und den Ansatz verfolgen, jegliche Handschriftlichkeit zu vermeiden. Durch die Einfärbung einzelner Flächen, die von Weiß über Grau zu Schwarz reichen und damit ein Ausdruck von Hell, Mittel, Dunkel vermitteln, gelingt es, dass die anfangs zeichnerisch rein planen Formen den Anschein erwirken, als seien sie dreidimensional. Ja noch mehr: Neben der Illusion von Räumlichkeit entsteht die Assoziation einer Faltung.
Die Kunst der Faltung
In Shape – nimmt man das Bild der Körperideale auf, dann zeigt sich, wie sehr die Vorstellungen eines „perfekten Körpers“ auseinanderdriften können, je nachdem, wer welchen Körper betrachtet. In Shape zu sein ist heute im alltäglichen Gebrauch meist mit dem Anspruch von Jugendlichkeit verbunden. Falten jeglicher Art – aus Stoff, Hüftspeck oder dem Alter geschuldet – entsprechen kaum den Idealvorstellungen und fallen damit nicht selten den Bildbearbeitungsprogrammen zum Opfer. Wird die Falte etwa in der Fitnessbewegung möglichst vermieden, hat sie in der Kunstgeschichte hingegen ihren festen Platz. Bereits seit der Antike versuchten Maler und Bildhauer, aufwendige Falten aus Stoff oder solche, die das Leben im Gesicht eines Menschen zeichnet, in ihren Kunstwerken festzuhalten. Denn dann, denke man nur an die Skulptur des Laokoons und seiner Söhne, galten sie als besonders realistisch. Im Barock erlebte jene Tendenz ihren Höhepunkt. In der Malerei trieb dies in der Darstellung von Gewändern und Vorhängen besondere Blühten. Doch weder waren diese Faltenwürfe zufällige oder beliebige Gebilde, noch ging das Erzeugen dieser räumlichen Illusionen auf planen Leinwänden einfach von der Hand. Es war und ist bis heute eine Kunst, die Falte, die eine Form ist, die aus der dritten Dimension kommt, in der zweiten nachvollziehbar zu machen. Die Falte in der Zeichnung oder in der Malerei bedeutet immer eine Augentäuschung.
Spätestens seit dem Kubismus wurde der Falte der Rang abgelaufen durch etwas, das ähnlich klingt, aber doch etwas anderes bedeutet: der Faltung. Dies gilt insbesondere im Bereich der Konkreten Kunst. Dort, wo Abstand vom Gegenständlichen genommen wird, ist es der Vorgang, der die Faszination ausmacht und weniger ihr Ergebnis. Während die Falte meist im Dienste stand, eine Narration einer figürlichen Darstellung zu unterstützen, wird in der ungegenständlichen Kunst die Faltung zum Star.
Die Faltung ist ohnehin ein erstaunlicher Prozess. Mit ihr kann es einerseits gelingen, einen dreidimensionalen Körper zu komprimieren – etwa ein Hemd zu falten und es damit dünn und leicht verstaulich im Schrank oder Koffer zu positionieren. Anderseits lässt sich mit ihr, wie im Origami, aus einem planen Blatt Papier eine Figur formen. Das gelingt nicht zuletzt, da die Faltung schon durch nur wenige Knicke Stabilität erzeugt.
Was man im eigenen Alltag beobachten kann, wenn man nur genau hinschaut, macht die Kunst offenbar. Bei ihr ist die Faltung nicht zur Begleiterscheinung oder Mittel zum Zweck. Sie wird zum Thema, zur Methode wie zum Bildgegenstand. Ein frühes Beispiel für einen Künstler, der die Faltung für sich entdeckt hatte, war in der 1930er Jahren der Dresdner Hermann Glöckner (1889–1987). Bevorzugte er noch das Papier, hat sich in den folgenden Jahrzehnten die Faltung auf den verschiedensten Materialien und in unterschiedlichsten Dimensionen in der ungegenständlichen Kunst vollzogen. Die Liste der Künstler*innen, die Faltungen zum zentralen Teil ihres Schaffens machen, reicht etwa von Piero Manzoni (1933–1963) über Peter Weber (*1944) bis hin zu Richard Serra (*1939).
Aber sie war und ist nicht immer gebunden, tatsächliche Körperlichkeit zu entwickeln. Auch auf planen Flächen nur die Illusion einer Faltung zu erzeugen, fasziniert die Kunst, ja wird zur Kunst. Genau hier lassen sich die Arbeiten von Dave Großmann verorten. Und hier ist er nicht allein. Therry Haggerty (*1970) und Enrico Bach (*1980) etwa machen die Faltung zum Gegenstand ihrer Kunst, die räumlich wirkt, ohne tatsächlich in den Raum vorzudringen. Bach erzeugt in seinen Ölgemälden den Anschein von Mehrdimensionalität durch gemalte Überlagerungen von Flächen und Farbverläufen und den Eindruck einer Schattenbildung. Haggerty hingegen verlässt häufig die Maße einer Leinwand und schafft ortspezifische, monumentale Wandarbeiten, in denen die Malereien den Anschein erwecken, als seien sie riesige textile Bänder, die mit einer Leichtigkeit durch den Raum flattern. Großmanns Faltungen gingen zeichnen sich durch Scharfkantigkeit und strikte Geometrie aus. Sie nehmen bei aller Größe weder eine ganze Wand ein wie bei Haggerty, noch lassen sie Farbverläufe wie bei Bach zu. Doch bei allen Unterschieden vereint alle drei Künstler, dass sie Illusionen von räumlichen Gebilden erzeugen, dass ihre Formen einen Auszug aus der planen, statischen Fläche wagen. Der Anschein von Volumen, das Untersuchen des Objekthaften, das Changieren zwischen Malerei und Relief und die Vermittlung zwischen den Dimensionen ist das, was in ihren Faltungen fasziniert. Die Möglichkeiten der Malerei, die man kunsthistorisch meist mit dem Tafelbild in Verbindung brachte, werden damit ausgelotet und derart eine Frage gestellt, die die Kunst in der Geschichte schon immer beschäftigt hat: die, was Malerei im Stande zu leisten sei.
Der Anschein eines Logos
In Shape – Dave Großmann ist somit nicht der einzige, der versucht der Faltung eine Form zu verleihen. Was seine Arbeiten eine Einzigartigkeit gibt, ist, dass nicht die Faltung seiner Kunst zur Form führt, sondern dass die Form, die er innerhalb seiner selbst gesetzten Regeln findet, eine Faltung zum Ergebnis hat. Am Anfang war also die Form – entstanden aus der Regel.
Das Paradigma der Erst- und Einmaligkeit der Form verleiht ihr einen Status, den es auszudrücken gilt. Aus diesem Grund kann Dave Großmann nicht auf eine viereckige Leinwand zurückgreifen, wenn er seine Zeichnungen in Wandarbeiten überführt. Die Form ist der Dreh- und Angelpunkt der Werkgruppe, so dass der Bildkörper, den er schafft, dieselben Umrisse braucht wie die anfänglichen Zeichnungen. So werden die einst gezeichneten Figuren zu Wandobjekten, die zwar immer noch recht flach sind, nichtsdestotrotz eine Räumlichkeit haben. Derart ergibt sich – je nach Lichteinfall und Beleuchtungssituation – ein Schattenwurf an den Rändern der Form und eröffnet dieser den Eindruck, als dringe sie in den Raum vor.
Wenn die Arbeiten an der Wand hängen, so lassen sie bei den Betrachtenden eine gewisse Sprachlosigkeit zurück. Möchte Kunst diesen Effekt wohl immer erzielen, ist dies bei Großmann ganz wörtlich zu nehmen. Denn müsste man seine Formen, die sich jenseits einer Einfachheit von Dreieck, Kreis oder Quadrat bewegen, in Worten beschreiben, kommt das gewöhnlich recht simple Vokabular zu den Formen an seine Grenzen. Es lässt sich kaum benennen, was einem Dave Großmann da zu sehen gibt. Fremd und trotzdem irgendwie bekannt erscheinen die Figuren. Als hätte man sie bereits gesehen. Als Logo vielleicht?
Tatsächlich würden viele seiner Formen für eine Markengestaltung taugen. Die Herangehensweise, wie Großmann zu ihnen kommt, vereint den Künstler mit so manchem Logomacher. Für Anton Stankowski (1906–1998) etwa, dem historisch bedeutendsten Markengestalter der BRD, der ebenfalls als Maler auf dem Feld der Konkreten Kunst aktiv gewesen ist, war ein Zeichen gelungen, wenn es höchste visuelle Qualität aufweise, knapp wie ein Telegramm sei, einen Aufmerksamkeitswert habe, variationsfähig und zeitlos wirke. Sie müsse ästhetisch einwandfrei sein, dürfe keiner Mode unterliegen und hätte einen Sympathiewert zu beinhalten.
Viele der Beschreibungen lassen sich unproblematisch auf die Figuren Großmanns übertragen. Auch das Regelwerk des Künstlers passt in vielen Punkten zu den Maßstäben Stankowskis. Trotzdem sind aber nicht alle Komponenten auf die Formen von Dave Großmann anwendbar. Nehme man nur den Sympathiewert. Zeitgenössische Kunst möchte einiges, aber wahrlich nicht „sympathisch“ wirken. Dann drohe ihr, ins Dekorative abzugleiten; eines der Fallstricke, vor dem wohl jede*r Konkrete Künstler*in Ängste entwickelt.
Von einem Ausspruch eines anderen großen Markenmachers distanzieren sich die Arbeiten Großmanns außerdem: Kurt Weidemann (1922–2011) hielt ein Logo dann für „gut“, wenn man es mit dem großen Zeh in den Sand kratzen könne. Das wäre bei Großmanns Formen schwer umzusetzen. Grund dafür ist genau das, an was es Großmanns Formen mangelt: der Einfachheit im Aufbau. Sie folgen simplen, klaren Regeln, sind im Ergebnis aber äußerst komplex, verschachtelt und eben nicht von jedem einfach nachzuzeichnen. Aber ist man ehrlich, so ist die Einfachheit, die eine Logogestaltung transportiert, selbst nur eine suggerierte. Design begegnet einem im Alltag als etwas Fertiges. Im Verborgenen bleibt der lange Gang des Probierens, Verwerfen und teilweise Scheiterns, der zu einer Gestaltung geführt hat und meist gar nicht so einfach gewesen ist. Da ähnelt der Weg zum Ergebnis und die Ängste, die damit verbunden sein können, nicht selten denen, die Dave Großmann bei seiner Formfindungen geplagt haben.
So ist die Sammlung an Figuren, welche Großmann in diesem Katalog zu sehen gibt, weit mehr als die ausdauernde Fingerübung eines einzelnen Künstlers. Sie stellt eine Inspirationsquelle für andere dar und das nicht nur auf dem Bereich der Kunst, sondern auch auf dem Grafikgestaltung. Dieses Buch hat wahrlich den Charakter eines Kompendiums und ist als Lektüre und Sehschule für viele Disziplinen fruchtbar.
Ohnehin führt eine strenge Separierung von Kunst hier und Design dort nicht selten in eine Sackgasse. Gerade in der Konkreten Kunst ergeben sich zahlreiche Überschneidungen und der eine Bereich kann sichtlich von dem anderen profitieren. Von Interesse ist weniger, ob die Formen von Dave Großmann zu einem Logo taugen, sondern, dass sie den Anschein erwecken, sie könnten ein solches sein. Denn hier setzt sich das fort, was sich im Prinzip der Faltung bereits angedeutet hat: Dave Großmanns Kunst ist eine der Augentäuscherei. Sie stiftet Verwirrung. Denn glaubt man, man hätte diese Form schon in irgendeinem Logo bereits gesehen, so trügt dieser Eindruck. Gleichfalls ist jede einzelne der 1.000 Formen eine, sie sich in keiner anderen gleicht, selbst, wenn sie einem bereits aus einer vorhergegangenen bekannt vorkommt. Seine Figuren leben von der Einzigartigkeit und so ist seine Kunst vom Unikatcharakter gekennzeichnet – kreierte zwar selbst Formen in Massen, so kommt es eben nicht wie beim Logo zum massenhaften Auftritt auf Briefköpfen, Firmenschilder oder Reklamen.
Keine Ziellinie in Sicht
In Shape – Wohl jedes Suchen nach einer eigenen Form setzt sich die Einzigartigkeit als Ziel. Eine solche wird einem weder auf dem Gebiet des Sports noch auf dem der Kunst geschenkt und manchmal ist die Arbeit daran vergeblich. Bei Dave Großmann hat sich der Einsatz gelohnt.
Sein Finden von Formen ist ein Ausdauerlauf gewesen, häufig mit Selbstzweifel verbunden, ob sein Ziel der 1.000 unterschiedlichen Formen im Korsett seiner eigenen Regeln je zu erreichen sei. Mögen die fertigen Figuren aus Großmanns Hand im Ergebnis völlig rational und sachlich sein, so bedeutete der Weg dorthin eine emotionale Reise für den Künstler, die er nur mit sich selbst bewältigen konnte.
Doch hat sich die Lösung einer solchen Aufgabe streckenweise einsam angefühlt, bestand die Gewissheit, nie gänzlich allein unterwegs zu sein – das hat der Blick in die Kunstgeschichte sowie zu anderen Vertretern der zeitgenössischen Kunst bewiesen. Bleibt man beim Bild des Ausdauerlaufs, so kommt man zu der Beobachtung, dass andere Künstler*innen ähnliche Strecken eingeschlagen haben und Großmann bereits Menschen zuvor gegangen sind. Findet er auch ganz eigene Ergebnisse, so reiht sich der Künstler mit seinen Suchen nach der Einmaligkeit der Form, der Austestung von Regeln, der Beschäftigung mit der Faltung und der Nähe zur angewandten Gestaltung in Entwicklungen ein, die in der Historie die Kunst seit Langem beschäftigen. Dass diese Geschichte längst nicht auserzählt ist, beweist sein eigenes Langzeitprojekt. Mit der 1.000sten Figur, die Dave Großmann in seiner Zeichnung gefunden hat, ist kein Endpunkt erreicht. Es ließe sich mindestens noch eine 1.001ste Form finden.